Mit der erstmaligen Beteiligung des Jugendparlaments Brookmerland fand am Ehrenmal für die Gefallenen und Vertriebenen des II. Weltkrieges eine würdevolle Gedenkveranstaltung anlässlich des Volkstrauertages statt. Nachdem sich das Ostfriesische Blasorchester aufgelöst hatte, musste Leezdorf im vergangenen Jahr ohne musikalische Begleitung auskommen. Nunmehr übernahm der Posaunenchor Osteel/Leezdorf die musikalische Ausgestaltung.
Für alle Interessierten veröffentlichen wir den Redebeitrag des Vorsitzenden des Jugendparlaments, Steffen Bloem:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir
haben uns heute am Volkstrauertag hier versammelt um den unzähligen
Opfern von Krieg, Terror und Gewalt zu gedenken. Der Volkstrauertag
ist älter als die Bundesrepublik selbst. Er geht zurück auf einen
Vorschlag des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge, um an die
unzähligen Opfer des Ersten Weltkrieges zu erinnern, dessen Ende
sich in diesem Jahr zum 100ten Mal jährt. Man hatte dabei die
Hoffnung, dass die Erinnerung an den Schrecken und all das Leid den
Menschen eine Mahnung sei, die den Frieden sichern könne.
Heute
genau 100Jahre später, müssen wir leider zugeben, dass sich diese
Hoffnung nicht erfüllt hat. Auf den Ersten Weltkrieg folgte der
Zweite Weltkrieg, der wieder Millionen von Menschen sinnlos das Leben
kostete. Mittlerweile haben wir hier bei uns das Glück, dass die
Idee des Friedens weitestgehend zur Realität wurde...weitestgehend…
Noch
immer herrschen Terror, Hass und Angst auf dieser Welt. Täglich
sterben Hunderte von Menschen an deren Folgen. Menschen müssen ihre
Heimat verlassen, verlieren ihre Familie, brechen auf in eine
ungewisse Zukunft ohne jegliche Sicherheit. Jedes Jahr gibt es am
Volkstrauertag mehr Menschen, denen wir gedenken müssen und das
sollte uns zu „denken“ geben.
Ich
selbst habe nie Krieg erfahren müssen. Ich bin in Frieden
aufgewachsen, musste nie um mein Leben fürchten und dieser Frieden
war immer selbstverständlich. Doch nicht alle Menschen haben dieses
Glück, was mir immer selbstverständlich erschien. Auch bei mir an
der Schule und auch hier bei uns in Leezdorf gibt es Menschen mit
Fluchterfahrung. Viele von ihnen mussten bereits um ihr Leben
fürchten, alles zurücklassen und in ein fremdes Land gehen, in dem
sie mit Sicherheit nicht unbedingt von allen herzlich empfangen
wurden. Sie haben Dinge erlebt, die sich meine Generation hier in
Deutschland nicht einmal annährend vorstellen kann. Sie haben ihre
Angehörigen und Freunde verloren oder zurücklassen müssen. Je
länger ich darüber nachdenke, wie viel Glück ich, wie viel Glück
wir alle doch haben, in Frieden leben zu können, umso dankbarer
werde ich. Gleichzeitig stelle ich mir aber auch die Frage, wie es
sein kann, dass trotz all dem Geschehenen immer noch nicht überall
Frieden herrscht...
Im
Nahen Osten, in Afrika, in Asien toben schreckliche Kämpfe, werden
Menschenrechte mit Füßen getreten, sterben Menschen – auch in
diesem Moment.
Gewalt
und Unterdrückung haben weltweit, wie vorhin bereits kurz
angesprochen, eine beispiellose Wanderbewegung in Gang gesetzt. Mehr
als 68,5 Millionen Menschen waren nach Angaben des
Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen UNHCR am Ende des
Jahres 2017 auf der Flucht – so viele wie nie zuvor in der
Geschichte der Menschheit. In etwa jeder 112. Bewohner dieses
Erdballs ist heute ein Vertriebener – eine Zahl, die sicherlich
nicht nur mich betroffen macht.
Flucht
und Vertreibung ist in Deutschland und auch hier in Ostfriesland kein
neues Phänomen. Schon vor mehr als 70Jahren erlebte unser Land,
erlebte unsere Region eine gewaltige Zuwanderung. Damals kamen die
Heimatvertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach
Deutschland. Millionen Deutsche mussten nach dem Zweiten Weltkrieg
aufgrund von Flucht, Vertreibung, Zwangsumsiedlung und Deportation
ihre Heimat verlassen. Die Integration dieser Menschen in die neu
entstandene Bundesrepublik war ein solider Kraftakt aller Deutschen
damals – auch wenn am Anfang sicherlich nicht alle froh waren über
all die neu Zugezogenen. Doch diese setzten sich durch, halfen nach
dem Krieg maßgeblich mit bei Wiederaufbau unseres Landes und auch
unser Region und ihre Familien, ihre Nachkommen sind heute
größtenteils genauso gut integriert wie wir selbst.
Nun
stehen wir wieder vor neuen Herausforderungen. Die aktuelle
Flüchtlingskrise hat auch hier bei uns in Deutschland ein Gesicht,
oder eher gesagt viele, ganz unterschiedliche Gesichter. Einige
Schutzsuchende haben wir in den letzten Jahren ja auch hier bei uns
in unserem Dorf aufgenommen. Menschen, die vor Krieg und gewaltsamen
Übergriffen in ihrer Heimat geflüchtet sind und nun bei uns auf ein
Leben in Frieden hoffen. Erschreckende Bilder aus dem Bürgerkrieg in
Syrien, von den Kämpfen im Irak und seinen Nachbarregionen erleben
wir beinahe jeden Tag im Fernsehen und im Internet. Wir fragen uns:
Wie sicher ist Deutschland, ist Europa überhaupt noch? Die
Gewalttaten mit islamistischem Hintergrund, die wir in den letzten
Jahren erleben mussten, haben unsere Gesellschaft ins Mark getroffen.
Radikale Islamisten wollen Angst und Schrecken verbreiten, Hass
schüren und uns ihren „Heiligen“ Krieg aufzwingen. Wir erfahren
plötzlich schmerhaft, dass unsere freiheitliche-abendländische
Wertegemeinschaft angreifbar und verletzlich ist.
Gleichzeitig
steckt Europa in einer tiefen Krise. Großbritannien hat Mitte dieser
Woche den Entwurf für das Brexit-Abkommen für den Austritt aus der
Europäischen Union, angenommen. Euroskeptizismus,
Abschottungspolitik und Nationalsozialismus genießen in vielen EU
Staaten einen Aufschwung. Ein Klima, in dem Populisten leichtes Spiel
haben. Und aus dem, wie wir aus unserer leidensvollen Geschichte
wissen, auch rasch Extremismus und Gewalt werden können.
All
diese Entwicklungen zeigen: Frieden in Europa ist im 21.Jahrhundert
ein höchst fragiles Gut. Ihn zu wahren und zu verteidigen, ist eine
der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Gedenkfeier, zu der
wir uns heute hier am Volkstrauertag versammelt haben, sollte uns
eine eindringliche Mahnung sein.
Und
genau da sehen ich auch mich und das Jugendparlament in der Pflicht.
Ich glaube es ist richtig und wichtig, dass gerade auch wir, die
jüngere Generation, die vielleicht nicht mehr so starke emotionale
Bindungen zu den Gefallenen von damals hat, und für die es
inzwischen selbstverständlich ist in Frieden zu leben, an dieser
Gedenkfeier teilnehmen und ich würde mir wünschen im nächsten Jahr
noch mehr jüngere Menschen hier in den Reihen der Gäste zu sehen,
damit sich so etwas wie damals nicht noch einmal wiederholen kann.
Und ich denke das sollte gleichzeitig für uns alle hier gelten:
Lassen
wir nicht zu, dass Gewalt und Krieg jemals wieder Mittel der
politischen Auseinandersetzung werden!!!
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