Sonntag, 18. November 2018

Volkstrauertag in Leezdorf


Mit der erstmaligen Beteiligung des Jugendparlaments Brookmerland fand am Ehrenmal für die Gefallenen und Vertriebenen des II. Weltkrieges eine würdevolle Gedenkveranstaltung anlässlich des Volkstrauertages statt. Nachdem sich das Ostfriesische Blasorchester aufgelöst hatte, musste Leezdorf im vergangenen Jahr ohne musikalische Begleitung auskommen. Nunmehr übernahm der Posaunenchor Osteel/Leezdorf die musikalische Ausgestaltung.

Für alle Interessierten veröffentlichen wir den Redebeitrag des Vorsitzenden des Jugendparlaments, Steffen Bloem:

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Einwohnerinnen und Einwohner Leezdorfs,

wir haben uns heute am Volkstrauertag hier versammelt um den unzähligen Opfern von Krieg, Terror und Gewalt zu gedenken. Der Volkstrauertag ist älter als die Bundesrepublik selbst. Er geht zurück auf einen Vorschlag des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge, um an die unzähligen Opfer des Ersten Weltkrieges zu erinnern, dessen Ende sich in diesem Jahr zum 100ten Mal jährt. Man hatte dabei die Hoffnung, dass die Erinnerung an den Schrecken und all das Leid den Menschen eine Mahnung sei, die den Frieden sichern könne.
Heute genau 100Jahre später, müssen wir leider zugeben, dass sich diese Hoffnung nicht erfüllt hat. Auf den Ersten Weltkrieg folgte der Zweite Weltkrieg, der wieder Millionen von Menschen sinnlos das Leben kostete. Mittlerweile haben wir hier bei uns das Glück, dass die Idee des Friedens weitestgehend zur Realität wurde...weitestgehend…
Noch immer herrschen Terror, Hass und Angst auf dieser Welt. Täglich sterben Hunderte von Menschen an deren Folgen. Menschen müssen ihre Heimat verlassen, verlieren ihre Familie, brechen auf in eine ungewisse Zukunft ohne jegliche Sicherheit. Jedes Jahr gibt es am Volkstrauertag mehr Menschen, denen wir gedenken müssen und das sollte uns zu „denken“ geben.
Ich selbst habe nie Krieg erfahren müssen. Ich bin in Frieden aufgewachsen, musste nie um mein Leben fürchten und dieser Frieden war immer selbstverständlich. Doch nicht alle Menschen haben dieses Glück, was mir immer selbstverständlich erschien. Auch bei mir an der Schule und auch hier bei uns in Leezdorf gibt es Menschen mit Fluchterfahrung. Viele von ihnen mussten bereits um ihr Leben fürchten, alles zurücklassen und in ein fremdes Land gehen, in dem sie mit Sicherheit nicht unbedingt von allen herzlich empfangen wurden. Sie haben Dinge erlebt, die sich meine Generation hier in Deutschland nicht einmal annährend vorstellen kann. Sie haben ihre Angehörigen und Freunde verloren oder zurücklassen müssen. Je länger ich darüber nachdenke, wie viel Glück ich, wie viel Glück wir alle doch haben, in Frieden leben zu können, umso dankbarer werde ich. Gleichzeitig stelle ich mir aber auch die Frage, wie es sein kann, dass trotz all dem Geschehenen immer noch nicht überall Frieden herrscht...
Im Nahen Osten, in Afrika, in Asien toben schreckliche Kämpfe, werden Menschenrechte mit Füßen getreten, sterben Menschen – auch in diesem Moment.
Gewalt und Unterdrückung haben weltweit, wie vorhin bereits kurz angesprochen, eine beispiellose Wanderbewegung in Gang gesetzt. Mehr als 68,5 Millionen Menschen waren nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen UNHCR am Ende des Jahres 2017 auf der Flucht – so viele wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. In etwa jeder 112. Bewohner dieses Erdballs ist heute ein Vertriebener – eine Zahl, die sicherlich nicht nur mich betroffen macht.

Flucht und Vertreibung ist in Deutschland und auch hier in Ostfriesland kein neues Phänomen. Schon vor mehr als 70Jahren erlebte unser Land, erlebte unsere Region eine gewaltige Zuwanderung. Damals kamen die Heimatvertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach Deutschland. Millionen Deutsche mussten nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund von Flucht, Vertreibung, Zwangsumsiedlung und Deportation ihre Heimat verlassen. Die Integration dieser Menschen in die neu entstandene Bundesrepublik war ein solider Kraftakt aller Deutschen damals – auch wenn am Anfang sicherlich nicht alle froh waren über all die neu Zugezogenen. Doch diese setzten sich durch, halfen nach dem Krieg maßgeblich mit bei Wiederaufbau unseres Landes und auch unser Region und ihre Familien, ihre Nachkommen sind heute größtenteils genauso gut integriert wie wir selbst.
Nun stehen wir wieder vor neuen Herausforderungen. Die aktuelle Flüchtlingskrise hat auch hier bei uns in Deutschland ein Gesicht, oder eher gesagt viele, ganz unterschiedliche Gesichter. Einige Schutzsuchende haben wir in den letzten Jahren ja auch hier bei uns in unserem Dorf aufgenommen. Menschen, die vor Krieg und gewaltsamen Übergriffen in ihrer Heimat geflüchtet sind und nun bei uns auf ein Leben in Frieden hoffen. Erschreckende Bilder aus dem Bürgerkrieg in Syrien, von den Kämpfen im Irak und seinen Nachbarregionen erleben wir beinahe jeden Tag im Fernsehen und im Internet. Wir fragen uns: Wie sicher ist Deutschland, ist Europa überhaupt noch? Die Gewalttaten mit islamistischem Hintergrund, die wir in den letzten Jahren erleben mussten, haben unsere Gesellschaft ins Mark getroffen. Radikale Islamisten wollen Angst und Schrecken verbreiten, Hass schüren und uns ihren „Heiligen“ Krieg aufzwingen. Wir erfahren plötzlich schmerhaft, dass unsere freiheitliche-abendländische Wertegemeinschaft angreifbar und verletzlich ist.
Gleichzeitig steckt Europa in einer tiefen Krise. Großbritannien hat Mitte dieser Woche den Entwurf für das Brexit-Abkommen für den Austritt aus der Europäischen Union, angenommen. Euroskeptizismus, Abschottungspolitik und Nationalsozialismus genießen in vielen EU Staaten einen Aufschwung. Ein Klima, in dem Populisten leichtes Spiel haben. Und aus dem, wie wir aus unserer leidensvollen Geschichte wissen, auch rasch Extremismus und Gewalt werden können.
All diese Entwicklungen zeigen: Frieden in Europa ist im 21.Jahrhundert ein höchst fragiles Gut. Ihn zu wahren und zu verteidigen, ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Gedenkfeier, zu der wir uns heute hier am Volkstrauertag versammelt haben, sollte uns eine eindringliche Mahnung sein.
Und genau da sehen ich auch mich und das Jugendparlament in der Pflicht. Ich glaube es ist richtig und wichtig, dass gerade auch wir, die jüngere Generation, die vielleicht nicht mehr so starke emotionale Bindungen zu den Gefallenen von damals hat, und für die es inzwischen selbstverständlich ist in Frieden zu leben, an dieser Gedenkfeier teilnehmen und ich würde mir wünschen im nächsten Jahr noch mehr jüngere Menschen hier in den Reihen der Gäste zu sehen, damit sich so etwas wie damals nicht noch einmal wiederholen kann. Und ich denke das sollte gleichzeitig für uns alle hier gelten:
Lassen wir nicht zu, dass Gewalt und Krieg jemals wieder Mittel der politischen Auseinandersetzung werden!!!











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