Sonntag, 17. November 2019

Volkstrauertag in Leezdorf


Unter einer großen Beteiligung vieler Leezdorfer und Osteeler Vereine fand am Sonntagmorgen die Gedenkveranstaltung anlässlich des Volkstrauertages am Leezdorfer Gefallenendenkmal, auf dem die Namen der Gefallenen und Vertriebenen des Zweiten Weltkrieges niedergeschrieben sind, statt. Die musikalische Begleitung der Veranstaltung übernahm, wie bereits im Vorjahr, der Posaunenchor Osteel/Leezdorf. Erstmalig kam bei der diesjährigen Veranstaltung außerdem eine Beschallungsanlage zum Einsatz, um die Sprachverständigung zu verbessern. Durch die Anlage kamen die Reden der Redner akustisch deutlich besser bei den Zuhörern an. Das Leezdörp Blog Team dankt dem Gerätewart und stellvertretenden Jugendwart der Freiwilligen Feuerwehr Leezdorf, Julian Folkerts, für das zur Verfügung stellen der Anlage. Als Redner sorgten der Pastor der Leezdorfer Emmaus-Kirchengemeinde, Peter Riesebeck, sowie Joachim Geißler für die Kyffhäuser Kameradschaft Leezdorf und der 1.Vorsitzende des Jugendsamtgemeinderates Brookmerland, Steffen Bloem, dafür, dass den Opfern des Ersten Weltkrieges und Zweiten Weltkrieges würdevoll gedacht wurde.

Für alle Interessierten veröffentlichen wir an dieser Stelle nochmals den Redebeitrag des Ratsvorsitzenden des Jugendparlaments Brookmerland, Steffen Bloem:

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Einwohnerinnen und Einwohner Leezdorfs,
wir haben uns heute hier versammelt, um am Volkstrauertag der Toten durch Krieg und Schreckensherrschaft zu gedenken.
Volkstrauertag, dieser Tag hat seinen Ursprung letztlich vor genau 105 Jahren. 1914 begann der Erste Weltkrieg. Nach dem Erfolg im Deutsch-französischen Krieg 1870/71, dem die deutsche Einigung und der Aufstieg Deutschlands zur Weltmacht folgten, gab es in Deutschland eine große Kriegsbegeisterung. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung zogen die Soldaten mit Fanfarenklängen an die Front. Doch die Begeisterung verflog schnell. Vier Jahre Krieg brachten nicht nur Hunger und Entbehrungen für die Zivilbevölkerung, sie forderten im grausamen Stellungskrieg auch Millionen Tote und Verwundete, die oft mit grässlichen Verstümmelungen heimkehrten.
Der Begeisterung folgte so nach der Niederlage Ernüchterung und unendliches Leid. Aus diesem Leid heraus entwickelte sich nach dem Kriegsende der Gedanke an einen Volkstrauertag zum Gedenken an die gefallenen deutschen Soldaten. Und die Betonung liegt hierbei durchaus auf deutsche Soldaten, denn in der Weimarer Republik etablierte sich dieser Gedenktag vor allem in rückschrittlichen und republikfeindlichen Kreisen. Ihnen waren die Toten anderer Länder keinen Gedanken wert. So war es fast folgerichtig, dass die Nationalsozialisten dies aufgriffen und den Volkstrauertag zum “Heldengedenktag“ umfunktionierten und als Teil ihrer menschenverachtenden Ideologie missbrauchten.
Wohin dies geführt hat wissen wir alle – in einem neuen Krieg, mit noch schlimmeren Folgen, noch mehr Toten und der fast vollständigen Vernichtung des europäischen Judentums. Keine andere kriegerische Auseinandersetzung forderte so viele Tote, nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt.
An die Schrecken des Krieges und die Millionen von Toten, die es in der Zeit der beiden Weltkriege zu beklagen gab, erinnern auf vielen Friedhöfen Kriegsgräber und Mahnmale. Hier in Leezdorf haben wir zwar keinen Friedhof, aber dennoch stehen wir hier heute vor einem solchen Mahnmal. Die Initiative zum Bau dieser ging damals insbesondere von denjenigen aus, die keine Angehörigen verloren hatten. Sie wollten damit ihre Solidarität mit den Trauernden ausdrücken. In den meisten Fällen kennen wir die Menschen nicht, die in den Kriegsgräbern ihre letzte Ruhe gefunden haben. Wir wissen oft nicht genau, wie und wo sie gestorben sind, welches Schicksal sie erlitten haben und ob noch jemand an sie denkt und um sie trauert. Oft kennen wir nicht einmal ihre Namen. Was bedeuten uns also heutzutage diese Orte, die an Menschen und Schicksale erinnern, mit denen wir keine konkreten Erinnerungen verbinden?
Heute erinnern uns die Mahnmale daran, die Opfer von Krieg und Gewalt nicht zu vergessen. Sie erinnern uns an die Millionen von Soldaten und Zivilpersonen, die auf grausame Weise ihr Leben verloren haben. Sie mahnen uns auch, friedlich miteinander umzugehen und den Frieden, den wir heute in Deutschland haben, wertzuschätzen. Wir können die Trauer und den Schmerz der Menschen, denen ihre Angehörigen damals genommen wurden nicht annähernd nachempfinden, aber wir können uns ebenso solidarisch zeigen wie die Erbauer der Mahnmale vor etwa 100 Jahren dies taten und uns vor Augen führen, welches Leid Krieg und Gewalt mit sich bringen.
So ist es den Völkern Europas, zumindest Westeuropas, gelungen, Lehren aus dieser unendlichen Tragödie zu ziehen. Beispielhaft war hier der Versöhnungsprozess zwischen Deutschland und Frankreich, der gezeigt hat, wie sich langjährige Feindschaft in eine dauerhafte Freundschaft verwandeln lässt.
Diesem Lernprozess verdanken wir die europäische Einigung und eine seit nunmehr über 70 Jahre andauernden Periode des Friedens in Westeuropa mit wirtschaftlichem Wohlstand und politische Stabilität. Zwei, teils auch drei, Generationen, die keinen Krieg kennen – das ist im Rückblick eine wirklich großartige Leistung der europäischen Politik.
Aber – ja, ich denke, hier ist ein großes Aber angebracht. Denn wenn ich von dieser Errungenschaft der langen Friedensperiode als Leistung der europäischen Politik spreche, so ist dies durchaus wörtlich zu verstehen. Als Leistung, als Erfolg harter Arbeit, verbunden mit Zugeständnissen an die Partner. Und auch nur unter diesen Voraussetzungen kann der Frieden erhalten bleiben. Er muss ständig neu erarbeitet werden, die Kompromisslosigkeit, die in die Kriege der Vergangenheit geführt hat, darf sich nicht wiederholen!
Gerade das sehen wir heute gefährdet: In fast allen Ländern Europas gibt es europakritische und europafeindliche Strömungen, die Zulauf und Wahlerfolge verbuchen können. Die Wahlergebnisse bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen haben uns dies zuletzt erneut schmerzlich gezeigt.
Deshalb gilt es, dass wir uns immer wieder bewusst machen, dass Europa und die Europäische Union der Garant für Frieden und Wohlstand sind. Hierfür gilt es zu arbeiten und einzutreten. Aber auch ganz konkret sehen wir den Frieden in Europa gefährdet. So sagte der damalige Bundespräsident Theodor Heuss im Jahre 1952: ,,Sorgt ihr, die ihr noch im Leben steht, dass Frieden bleibt, Frieden zwischen den Menschen, Frieden zwischen den Völkern“. Dieses Zitat ziert noch heute viele Mahnmale in Deutschland. Indem wir hier heute zusammenkommen, wirken wir auch dem Vergessen entgegen und sichern somit den Frieden.
Genau 105 Jahre sind seit dem Beginn des Ersten Weltkrieg und genau 80 Jahre seit dem Beginn des Zweiten Weltkrieg vergangen. Mehr und mehr verschwinden nun auch die Stimmen, die uns aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs berichten können. Die mahnenden Worte der KZ-Überlebenden, Kriegsrückkehrer und Vertriebenen dürfen jedoch nicht in Vergessenheit geraten! Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und das Erinnern dürfen nicht aufhören!
Frieden, das ist eine Lehre aus der Vergangenheit, muss gesichert werden. Dies tut die Bundesrepublik als ein Partner der Weltgemeinschaft durch die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Leider bleiben aber auch solche Einsätze nicht ohne Opfer. Über 100 Bundeswehrsoldaten sind bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommen. Auch ihnen gilt heute in besonderem Maße unser Mitgefühl.
Aber wir haben heute auch der Opfer von Krieg, Not und Schrecken in vielen anderen Gebieten auf der Welt zu gedenken. Fast täglich wird uns dies deutlich gemacht, wenn wir die Zeitung aufschlagen oder den Fernseher einschalten. Wir sehen Bilder aus Syrien und dem Irak, wo nun schon seit Jahren ein Bürgerkrieg tobt und die Islamisten des IS die Situation ausnutzen, um eine Schreckensherrschaft zu errichten. Nach dem Abzug der US-Truppen hatte sich jüngst nun auch noch die Türkei mit in den Krieg eingeschaltet.
Viele Flüchtlinge kamen und kommen auch zu Zeit immer noch als Folge dieser Entwicklung zu uns nach Deutschland und ich halte es für richtig, diesen Menschen zu helfen. Denn nur, wenn wir dem Gegenüber die Hand reichen, tragen wir zu einer friedlichen Welt bei und erteilen Krieg und der Gewalt eine Absage. Denn was uns eint, ist die Menschlichkeit und die Sehnsucht nach einer gerechten, friedlichen Welt und einem gemeinschaftlichen, solidarischen Miteinander.
Wir haben in diesem Jahr auch ein neues Aufkommen des Antisemitismus erlebt. Zuletzt war es der Angriff auf eine Synagoge in Halle, der sicherlich bei uns allen für Bestürzen gesorgt hat. Einer solchen Entwicklung gilt es entschieden entgegenzutreten. Kritik an einer Religion und damit durchaus auch am Judentum ist selbstverständlich möglich, aber wer Gewalt einsetzt, um Menschen nur wegen ihres Glaubens umzubringen, der hat eindeutig eine Grenze überschritten! Angesichts gerade unserer Vergangenheit muss unsere Grundhaltung sein: Nie wieder Judenfeindlichkeit, nie wieder Antisemitismus, in welcher Form auch immer!
So lasst uns an diesem Tag den Opfern der Kriege und der Gewaltherrschaft gedenken, lasst uns darüber bewusst werden, wie glücklich wir uns schätzen können, in Frieden und einer Demokratie zu leben. Lasst uns aber auch immer der Tatsache bewusst sein, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist und es sich lohnt, für diese Werte immer und überall einzustehen und zu kämpfen.
Indem wir hier heute zusammenkommen und den Opfern von Krieg, Gewalt und Vertreibung zu gedenken, setzen wir ein Zeichen. Wir setzen ein Zeichen für den Frieden! Wir setzen ein Zeichen für die Erinnerung und gegen das Vergessen! Wir setzen ein Zeichen für eine verantwortungsvolle, friedliche Welt, in der wir gerne leben möchten!
In diesem Sinne danke ich Ihnen, dass sie heute an der Gedenkveranstaltung teilnehmen und dazu beitragen, dass das Erinnern nicht aufhört.











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