Sonntag, 14. April 2024

Ortssippenbuch von Osteel vorgestellt - Und was dieses mit der Historie Leezdorfs zu tun hat

Peter Seidel (li.), Helmut Fischer (mi.) und Autor Theodor Voß

Helmut Fischer, früher Oberstudienrat am Norder Ulrichsgymnasium, danach langjähriger Leiter des Norder Medienzentrums, Dokumentarfilmer und Heimatforscher, hielt die Laudatio auf Theodor Voß. Dieser hat sich mit 199 Jahren Osteeler und Leezdorfer Geschichte befasst, den Moorkolonaten, oder auch dem Einfluss der Fürstenhäuser und mit alten Flurbezeichnungen Geschichte wieder aufleben lassen. Fast 50 Seiten informieren darüber, sehr detailliert beschrieben wird auch die Osteeler Kirche. „Dat Wark is dohn“, so Fischer, die Entdeckungsreise rund um Osteel könne beginnen, „man to, un wieder mit Wark!“ Theodor Voß bedankte sich bei Peter Seidel aus Marienhafe, der die umfangreiche Ortsgeschichte von Osteel und Leezdorf darstellte, sowie auch für die von ihm erstellte Lehrer- und Pastorenliste. (Anm. der Red.in: Peter Seidels ortsgeschichtliche Schriften können kostenlos online in der Ostfriesischen Landschaftsbibliothek nachgelesen werden)

In der Warnfriedkirche in Osteel ist in einer kleinen Feierstunde das neu herausgebrachte Ortssippenbuch von Osteel vorgestellt worden. Geschrieben wurde es vom Familien- und Heimatforscher Theodor Voß aus Riepe und ist im Verlag der Upstalsboom Gesellschaft e.V. in Aurich erschienen. Mittlerweile ist es der 114. Band mit Familienereignissen, die von 1712 bis 1911 chronologisch in den Osteeler Kirchenbüchern festgehalten worden sind.

Erst ab dem Jahr 1876 nach der Gründung des Deutschen Reiches wurden flächendeckend Standesämter eingeführt. Vorher wurden Geburten, Taufen, Hochzeiten oder Sterbefälle nur in Kirchenbüchern festgehalten. Wer heute einen Familien Stammbaum erstellen möchte, oder einfach nur mehr über seine Wurzeln und die verwandtschaftlichen Beziehungen zu seinen Ahnen erfahren möchte, kommt nicht umhin, in Kirchenbüchern danach zu suchen. Diese sind wertvolle Quellen für jeden Heimat- und Familienforscher und das Pfarramt in Osteel ist dazu verpflichtet Kirchenbücher zu führen.

Die Inhalte vieler alter evangelischer Kirchenbücher wurden bereits bearbeitet und stehen im Ergebnis als Ortssippenbücher digital zur Verfügung. Auf der Homepage upstalsboom.org können 58 ältere Ortssippenbücher eingesehen werden. Das schont die wertvollen alten Handschriften und die Familienforscher müssen sich nicht mehr wie früher in Archive oder auf Dachböden von Kirchen begeben.Theodor Voß hat in einem sieben Jahre lang dauernden Procedere intensiver Arbeit die Osteeler Kirchenbücher zu einem Ortssippenbuch zusammengestellt, dafür die Namen der Familien in eine chronologische und alphabetische Reihenfolge gebracht sowie Querverweise zu Ortssippenbüchern anderer Kirchengemeinden und Notizen angefügt. Ein benutzerfreundliches Werk ist es nicht zuletzt deswegen geworden.

1307 Seiten in drei Büchern umfasst der Osteeler Band. Gleichzeitig ist dieser Band das Ortssippenbuch von Leezdorf, denn die Urbarmachung Leezdorfs fand bekanntermaßen von Osteel aus nach Osten ins Moor statt. Und weil Leezdorf erst seit Errichtung einer dortigen zweiten Pfarrstelle im Pfarrbereich Osteel im Jahre 1978 separate Kirchenbücher führt, sind alle Leezdorfer Familien und deren Ereignisse selbstverständlich mit aufgeführt. Osteel und Leezdorf bildeten kirchenamtlich eine Einheit, bis aus der zweiten Pfarrstelle am 1. Februar 2005 die Emmaus-Kirchengemeinde Leezdorf hervorging und das Gemeindezentrum nach vorheriger Erweiterung um einen Chorraum im Jahr 2003 als Emmaus-Kirche bezeichnet wurde. Bis die Inhalte der noch jungen Leezdorfer Kirchenbücher der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen, werden noch Jahre vergehen. Der Grund dafür ist Datenschutz: Die Kirchenbücher müssen mindestens einhundert Jahre alt sein bei der Veröffentlichung, so will es das Gesetz.

1307 Seiten in drei Büchern umfasst der 114. Band der ostfriesischen OSB

Die gesamte soziale Struktur dieser Region im Brookmerland sei erfasst, mancher Gast und Heimatkundler dürfte erfreut sein, ein solches Informationswerk zu studieren, betonte Helmut Fischer in seiner Laudatio auf Theodor Voß.
Folgendes Gedicht hatte Helmut Fischer für ihn verfasst:

Leev Theodor,

Dien Wark is dohn
Mennig anner Booken sünd dat al worn
Söben Johr un elker Dag
Mal mit Elan, mal mit düchtig Kracht.
De Worden ut de Karkenbooken,
Du harst Arbeit un fak de Kopp ant rooken!
So kunnst Du nu verkünnen,
heel bült Daten, de sünd binnen!
Dank för all dat Wark un schrieben,
dürst up sülvig Padd ok blieven.
Denn Upstalsboom is düchtig blied.
Mennige Lü stand uns bi Siet!
Jawoll, leev Lü, hier is nu Nummer 114,
Dat freit uns all mitnanner schier.
Osteel un Leez, Pastoren un ok Astronomen
wassen faken binanner komen.
Doch nu will ik torüg in' t Güstern,
hier un dor een bitje schmüstern.
Vertellsels un ok Realität.
Edikt un Pietät,
ne all tovööl will ik vertell'n
dat Book blievt unverköfft.
Dat will ik nee un nichtig,
man dat up platt, dat was mi wichtig.

Helmut Fischer


In alten Kirchenbüchern finden sich neben den Personenstandsdaten auch häufig zeitzeugenhafte Anmerkungen. Einige spiegeln recht unvermittelt und offen die damalige soziale Situation. So heißt es beispielsweise über einen Anton Magnus , Brüning,"Schuster beym alten Deich", * um 1764, + 10.03.1837, "...ein Blinder zu Osteel, ungefähr 75 Jahr Fleckfieber. Er hinterläßt eine Witwe und 3 Kinder, unter denen 1 minderjährig ist... Am Weihnachten 1810 verlor er sein Gesicht (Anm.: Er erblindete) u. suchte nun sein Brod an den Thüren". Das Werk von Theodor Voss enthält viele Querverweise zu anderen Ortssippenbüchern sowie Notizen und Anmerkungen.


Pastor Jürgen Hoogstraat aus Victorbur (4. von li.), selbst kundiger Heimat- und Namensforscher, hielt einen Vortrag über Gerhard Chryno Herman Stip, von 1835 bis 1839 Pastor in Osteel.
Theodor Voß bedankte sich bei allen Heimatforschern und Helfern, die ihm bei der Erstellung des Ortssippenbuches mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatten. Mehrere von ihnen waren bei der Feierstunde dabei.


Der Einfachheit halber hier das Vorwort aus dem Ortssippenbuch mit allen Bedankten.


Pastor Jürgen Hoogstraat aus Victorbur fesselte seine zahlreichen Zuhörer mit dem für die Mitte des 19. Jahrhunderts außergewöhnlichem Leben und Wirken von Pastor Gerhard Chryno Hermann Stip. Der hatte seine Stelle in Osteel mit erst 26 Jahren angetreten und machte sich mit kirchenkritischen und unkonventionellen Predigten und Schriften rasch unbeliebt bei seinen Obrigkeiten. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der im Königreich Hannover die neue Kirchenvorstands-und Synodalordnung für die evangelischen Kirchen eine einheitliche Synodalverfassung schaffen sollte. Zudem sollte ein neues, einheitliches Gesangbuch eingeführt werden. Zuviel für Ostfriesen und erst recht für Pastor Stip, der mit seinen Veröffentlichungen sehr bald zum "enfant terrible" der Kirche wurde. Mit den Beziehungen und dank der Fürsprache seines wohlwollenden Theologie-Professors wagte er den Absprung aus dem kirchlichen Dienst und wurde Privatgelehrter. Später machte er sich als Hymnologe um evangelische Kirchenmusik verdient, textete und komponierte, auch für Kinder. Privat blieb Gerhard Stip von schweren Schicksalsschlägen bereits zwei Jahre nach Amtsantritt in Osteel nicht verschont.
Im April 1837 verlor sein kleiner Sohn namens Gerhard mit fünf Wochen seine junge Mutter und verstarb selbst nur ein knappes Jahr später.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen