Unsere pflanzen- und naturkundliche Kolumnistin Renate Erdt, zertifizierte Fachberaterin für essbare Wildpflanzen, brachte mir eine Tüte Kirschpflaumen zum Probieren mit. Noch nie hatte ich vorher von dieser Frucht gekostet, oder diese Obstsorte beachtet. Aus der Geschmacksprobe wurde ein echtes "Hmmmh-Erlebnis". Natürlich blieb es nicht bei einer, denn sie schmeckt nach mehr, die
Kirschpflaume
Jetzt ernten!
Die Kirschpflaume wird oft verkannt. Sie kommt nicht so groß heraus wie ihre kultivierten Verwandten, die Pflaume, die Zwetschge oder die Mirabelle, die im klassischen Obstgarten oder auf der Obstwiese gezielt gepflanzt werden. Die Kirschpflaume steht ihnen aber in nichts nach und findet sich in der freien Landschaft vieler Regionen. Oft wird sie als Unterlage für die Veredlung von Kultur-Obstbäumen genutzt; manchmal macht ein Kulturbäumchen dann schlapp und die wilde Kirschpflaumen-Unterlage nutzt die Chance und treibt durch. Mit etwas Glück überdauert sie so ein Baumleben lang, wird manchmal sogar als eine ihrer kultivierten Doppelgängerinnen angesehen und bewundert. Mit noch mehr Glück versäht sie sich und taucht überall dort auf, wo sie ihre natürlichen Standorte hat: in Heckenlandschaften oder in Wildgehölzstreifen, wo sie manchmal auch strauchartig wächst, oder einfach in benachbarten Gärten. Vögel und Nagetiere lieben ihre saftigen Früchte und tragen deren fruchtbare Steine gern weiter. Und schwuppdiwupp hat sie wieder eine Region erobert, die sie mit Blüten, Früchten und Lebensraum bereichern kann.
Die Kirschpflaume hat asiatische Wurzeln und wurde von den Römern in ganz Europa verbreitet. Ihren Namen Kirschpflaume verdankt sie ihrer eher rundlichen Form und ihrer Saftigkeit, die an Kirschen erinnern. Ihr Stein dagegen ähnelt eher einem Pflaumenstein. Ihre genetische Varianz ist groß. Sie kann hellgelb, rot, grünlich oder sogar pflaumenblau sein und dabei wunderbare Farbverläufe zeigen, die impressionistischen Kunstwerken zur Ehre gereichen würden. Ihre geschmackliche Bandbreite ist ebenfalls groß. Von süßsauer über verschiedene süße Aromen hat sie einiges zu bieten. Dabei kann man ihre Reife, ihr Aroma und die damit einhergehende Süße nicht unbedingt an der Farbe erkennen, sondern sollte sie vorsichtig mit Daumen und Zeigefinger drücken. Wenn sie auf Druck leicht nachgibt oder einem gar direkt in die Hand fällt, sollte man beherzt den oralen Reifetest wagen. Ist der erst bestanden, so ist man meist versucht, ihn noch zehn- bis zwanzigmal zu wiederholen.
Dann ist man auch sicher, dass man mit der Ernte beginnen kann. Jedoch sollte man überlegen, was man mit den köstlichen Früchten vorhat, bevor man sie den wilden Tieren vor der Nase oder dem Schnabel wegerntet. Dabei bietet sich alles an, was man mit Mirabellen oder Pflaumen auch machen kann, vom Eis über Kompott bis zur Marmelade, vom Kuchen über Saft bis zum Trockenobst, gut kombiniert auch mit Brombeeren, die fast zeitgleich reifen. Meine persönliche Lieblingsvariante ist die direkte, vom Baum in den Mund! Und da auch in der Reifezeit noch eine breite Varianz liegt, streckt sich der direkte Genuss von Baum zu Baum über mehrere Wochen.
Verwechseln könnte man die Kirschpflaume mit ihren kultivierten Artgenossinnen. Aber das macht ja nichts: Lecker und genießbar sind sie ja alle. Als Baum wird sie nicht höher als ein Hochstamm-Obstbaum, also 6-8 m. Sie ist dicht verzweigt, und mit zunehmendem Alter kann rund um den Stamm durch abstehende und herabhängende Zweige ein fast zeltartiger Raum entstehen. Sie blüht weiß, sehr reichlich und vor allem sehr früh, meist schon vor dem Frühlingsanfang, was sie als Pollen- und Nektarquelle für früh fliegende Hummeln und andere zeitige Insekten sehr wertvoll macht.
Entsprechend früh bietet sie uns auch ihre Früchte. Manchmal kann das Naschen vom Baum schon Ende Juni beginnen und sich dann bis in den August hineinziehen. Auf Ihrer Grundlage wurde die Blutpflaume züchterisch entwickelt, die in verschiedenen Sorten in vielen Gärten eine Heimat gefunden hat. Zwar war deren Zuchtziel die üppige Blütenschönheit, aber: Auch deren Blüten entwickeln genießbare Früchte, und manche Sorten sind nicht nur schön, sondern auch sehr lecker!
Text und Fotos: Renate Erdt
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