Sonntag, 13. November 2022

Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag 2022


Am heutigen Sonntag trafen sich um 8:30 Uhr zahlreiche Leezdorferinnen und Leezdorfer sowie Vertreterinnen und Vertreter von Leezdorfer und Osteeler Vereinen und aus der Politik am Gefallenendenkmal, um anlässlich des Volkstrauertages gemeinsam den Gefallenen und Vertriebenen der beiden Weltkriege zu gedenken. Für die musikalische Begleitung der Gedenkveranstaltung sorgte, wie auch bereits in den Vorjahren, der Posaunenchor Osteel/Leezdorf.
Nachdem die Leezdorfer Bürgermeisterin Gisela Riesebeck das Totengedenken gesprochen hatte, hielt Steffen Bloem stellvertretend für die jungen Leezdorferinnen und Leezdorfer die Gedenkrede. Die anschließende Andacht wurde vom Pastor der Emmaus-Kirchengemeinde, Peter Riesebeck, gehalten.
Im Anschluss an die Redebeiträge wurden die Trauerkränze vor dem Ehrenmal niedergelegt, das Kommando gab hierbei Georg Ostwold.


Die Redaktion des Leezdörp Blogs bedankt sich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Gedenkveranstaltung. 
Für alle Interessierten veröffentlichen wir an dieser Stelle nochmals die diesjährigen Gedenkrede von Steffen Bloem:

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Einwohnerinnen und Einwohner Leezdorfs
Vor genau 100 Jahren, im Jahre 1922, wurde der Volkstrauertag erstmals auf Vorschlag des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge ins Leben gerufen, um einen würdevollen Rahmen für das Gedenken an die nationsübergreifend rund 9 Millionen gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges zu schaffen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 benannten diese den Tag jedoch zum sogenannten “Heldengedenktag” um und stellten ihn damit in den Dienst ihrer kriegsverherrlichenden Propaganda.
Heute wissen wir allerdings leider, dass es sich beim “Heldengedenktag” nur um einen Mythos handelte, da ein Krieg keine Helden hervorbringt, sondern nur Opfer. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1945 wird am Volkstrauertag daher auch der zivilen Opfer des Krieges gedacht. So treten beim Gedenken neben die toten Soldaten auch die Frauen, Kinder und Männer, die in den besetzten Ländern und im damaligen Deutschen Reich zu Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft geworden waren. Besonders gedenken wir hierbei natürlich auch den gefallenen Leezdorfern, den Opfern aus unserem eigenen Dorf, deren Namen sich auf den Tafeln hier am Ehrenmal hinter mir befinden.
Der Zweite Weltkrieg war ohne Zweifel die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts, was sich allein schon an der Opferzahl von 65 Millionen Toten zeigt. Trotz der großen Relevanz, die der Zweite Weltkrieg zu Recht in unserer nationalen Geschichtserinnerung hat, sollten wir jedoch auch die Opfer des Ersten Weltkrieges, denen dieser Tag ab 1922 ursprünglich gewidmet war, nicht vergessen. Wir gedenken daher auch insbesondere den im Ersten Weltkrieg gefallenen Leezdorfer Männern, deren Namen am Ehrenmal in Osteel niedergeschrieben sind.

Ich stehe heute hier und halte diese Rede stellvertretend für die jüngere Generation. Für eine Generation, die erst über 50 Jahre nach Kriegsende geboren wurde. Für eine Generation, die in einem friedlichen Deutschland groß geworden ist und für eine Generation, die nie selbst Erfahrungen mit Krieg, Gewalt oder Unterdrückung gemacht hat. Und dennoch ist die Botschaft, die uns der Volkstrauertag seit nunmehr 100 Jahren vermitteln soll, in meinen Augen gerade in der heutigen Zeit und insbesondere in diesem Jahr bedauerlicherweise wichtiger und aktueller als je zuvor.
In meiner letzten Volkstrauertagsrede vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie habe ich lobend von den Lehren gesprochen, die die Völker Europas erfolgreich aus den Tragödien der beiden Weltkriege gezogen haben. Ich sprach von einer großartigen Leistung der europäischen Völker, der wir die europäische Einigung und eine seit nunmehr über 75 Jahre andauernde Periode des Friedens in Europa zu verdanken haben. Doch seit dem 24. Februar 2022 ist die Welt eine andere, denn seit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands in der Ukraine findet wieder Krieg bei uns auf europäischem Boden statt.
Informationen dazu, wie viele Soldatenleben der nun seit fast neun Monaten wütende Krieg bereits auf beiden Seiten gefordert hat, sind nur sehr schwer zu erlangen, zumal sich die Angaben beider Kriegsparteien teils sehr stark widersprechen. Unabhängig davon geht das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in einer Zählung vom 31. Oktober 2022 jedoch von mindestens 6500 weiteren Todesopfern innerhalb der ukrainischen Zivilbevölkerung aus, darunter hunderte Kinder. Fast 10.000 weitere Zivilisten seien zudem verletzt worden. Auch ihnen wollen wir am heutigen Tag gedenken.
Die Auswirkungen dieses Kriegen erleben wir bei uns in Deutschland jedoch nicht nur anhand der Nennung der oben genannten Zahlen, der Knappheit bestimmter Handelsgüter oder anhand von steigenden Preisen infolge der Inflation. Wir sehen auch anhand der vielen geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer, die in den vergangenen Monaten zu uns gekommen sind, wie tragisch es sein muss, wenn das eigene Heimatland plötzlich angegriffen wird. Und wenn man sich einmal die ganz persönlichen Geschichten einiger Geflüchteten anhört, dann ist es einfach unvorstellbar, wie viel Leid die Ukrainer seit jenem 24. Februar erlebt haben. Es handelt sich hierbei um Menschen, deren Familien grausam auseinandergerissen wurden, die geliebte Angehörige verloren haben und deren Leben aufgrund ihrer traumatischen Erlebnisse nie mehr so sein wird, wie es vorher einmal war.
Es ist wichtig, dass wir den ukrainischen Geflüchteten zuhören und versuchen, uns gedanklich in ihre Lage und in ihrer Gefühlswelt hineinzuversetzen, denn es sind nicht die Zahlen, Daten und Fakten, die uns aufrütteln. Ganz im Gegenteil, diese schaffen eine Distanz, hinter der wir uns unbeteiligt zurückziehen können. Es sind die menschlichen, die persönlichen Schicksale von Kriegszeugen, die uns berühren und zum Nachdenken bringen.
“Das Paradies pflegt sich erst dann als Paradies zu erkennen zu geben, wenn wir daraus vertrieben wurden”, hat Hermann Hesse einmal gesagt und ich denke, dass er damit leider recht hat. Denn vor dem Hintergrund der soeben genannten Schicksale sollten wir uns meiner Meinung nach viel häufiger deutlich machen, welche Privilegien wir hier in Deutschland genießen. Der Volkstrauertag zeigt uns auf eine sehr schmerzliche Weise, dass es nicht selbstverständlich ist, in einer funktionierenden Demokratie, in Frieden und in Freiheit leben zu dürfen. Lasst uns dies in Zukunft wieder mehr wertschätzen!








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