Sonntag, 23. Juni 2024

Wilder Tipp (5)



Brennnessel

 Eigentlich wären sie jetzt alle dran: Nelkenwurz und Vogelmiere, Knoblauchsrauke und Melde, Schafgarbe und Wegerich, Linde und Holunder und, und, und…Jetzt soll es aber erst einmal um die Brennnessel gehen, damit das wilde Trio komplett wird: Brennnessel, Giersch (Wilder Tipp 3) und Löwenzahn (Wilder Tipp 4).

 Zusammen sind sie ein äußerst vielseitiges kulinarisches Nährstoffpaket. Aber zurück zur Brennnessel. Bei den keltischen Druiden galt die Brennnessel als „Königin der Heilpflanzen“, und auch in vielen anderen Teilen der Erde wurde sie nicht nur als Magenfüllung, sondern auch dank ihrer zahlreichen Heilwirkungen mindestens gepflegt ,häufig verehrt. Dabei macht sie einem dies gar nicht so leicht, denn mit ihren Brennhaaren erschreckt sie uns oft umso mehr, je vorsichtiger wir uns annähern. Die Brennhaare, gefüllt mit Ameisensäure und Bienengift, Histamin und Acetylcholin, machen die Pflanze äußerst wehrhaft gegen Fraßfeinde, zu denen wir wohl auch zählen. Die Härchen sitzen vorwiegend am Stängel und der Blattunterseite und zeigen nach oben bzw. nach außen. Wer also einen Stängel am Boden anfasst und mit fester Hand einmal über den beblätterten Stängel hochfährt, hat die meisten Brennhaare abgebrochen und die Brennnessel gezähmt, zumindest weitgehend. Wer die Brennnessel roh als Salat essen möchte, kann ihre Blätter auch mit der Küchenrolle plattieren. 99% der Brennhaare sind dann gebrochen, und wer das letzte Prozent nicht scheut...Wer dieses Experiment lieber nicht versuchen möchte, ist mit der getrockneten, gewässerten oder gegarten Brennnessel besser bedient.




 Zum Trocknen hängt man meistens komplette Stängel im luftigen Schatten auf und erntet davon die rascheltrockenen Blätter für Tee, Kräutersalz oder als Gemüsebeigabe. Auch das Vermahlen der getrockneten Blätter zu Mehl als Mineralstoffbeigabe zu Backwaren wird in manchen Regionen praktiziert. Diese Arbeit ist aber äußerst frustrierend: Aus einem Kubikmeter getrockneter Stängel bleibt gemahlen gerade mal ein gutes Pfund Mehl. Dieses dunkelgrüne Mehl lässt sich allerdings dekorativ für Farbspiele in Backwaren einsetzen; dann braucht man nicht soviel davon und hat doch etwas Profit von dieser so wertvollen Pflanze. Die kantigen Stängel sind als Gemüse nicht empfehlenswert. Sie sind sehr faserig. Ihre Fasern wurden in unseren Breiten vor der Einführung der Baumwolle ähnlich wie Flachs zu Zwirnen versponnen und verwebt. Der Begriff Nessel, heute gebräuchlich für grobe Gewebe aus kaum bearbeiteter Baumwolle, die außer den Samenhaaren, noch andere Pflanzenteile enthalten, hat seinen Ursprung in den Geweben aus den gezwirnten Stängelfasern der Brennnessel oder kurz Nessel. Kulinarisch lässt sich die Brennnessel nahezu unbegrenzt einsetzen. Vom erfrischenden Brennnesselwasser bis zum heißen Tee, vom Pfannengemüse bis zur Suppe, von der Quiche über die Tempura bis zum Gemüsechip, die Brennnessel macht alles mit. Man verwendet die Triebspitzen mit vier bis sechs nicht zu großen Blättern oder auch einfach nur Blätter, für Tempura auch größere Blätter. Die Triebspitzen bzw. Blätter werden nach dem Waschen ganz oder nur grob gehackt weiterverwendet. Für Tempura verwendet man ganze Blätter. Für Gemüsechips müssen Blätter oder Spitzen unbedingt trocken in der Pfanne geröstet werden, sonst werden sie nicht zu krossen Chips, sondern fallen zu Pfannengemüse zusammen. Nach dem Waschen müssen sie also unbedingt erst trocknen. Die Chips lassen sich gesalzen oder mit dem Lieblingsgewürz verfeinert als kleine, gesunde Leckerei nebenbei knabbern. Für Gemüsegerichte, egal ob aus der Pfanne oder dem Topf oder dem Ofen sind ähnliche Mengen einzuplanen wie z.B. für Spinat. Beide lassen sich zum Einstieg auch gut mischen; das gilt übrigens auch für viele andere essbare Wildpflanzen, die gern ihren Beitrag zum Geschmack und zur Nährstoffdichte beitragen, …wenn man sie lässt. Blätter sind noch nicht alles, was die Brennnessel zu bieten hat. Seit einigen Jahren preist die Nahrungsergänzungsindustrie die Samen der Brennnessel als neues Superfood an. Die Samen lassen sich leicht ernten und wie Mohn oder Sesam oder andere kleine Körner verwenden. Mit Sesam gemeinsam geröstet und mit etwas Salz gemischt ergeben sie ein knuspriges Gomasio. Auch über Salat oder Müsli gestreut bringen sie eine schnelle Nährstoffbereicherung.

Beschrieben werden muss die Brennnessel wohl eigentlich nicht, denn wer ihr schon einmal– körperlich – begegnet ist, wird sie sich gemerkt haben, die bis zu 1,50 m hohe Staude mit den lanzettlichen bis herzförmigen samtigen und unterseits behaarten Blättern, die gegenständig kurz gestielt am Stängel sitzen und deren Ränder regelmäßig gesägt und deren Blattadern deutlich zu sehen sind. Ihre Blüten sind eher unscheinbar, wohingegen ihre Samenstände in Trauben herabhängend deutlich sichtbar sind. 




Ihr Wurzelstock ist kräftig und sorgt neben den Samenkörnen für eine üppige Verbreitung. Ihre Inhaltstoffe sind überzeugend: Calcium, Kalium, Magnesium, Phosphor, Silicium und Eisen sowie ein hoher Gehalt der Vitamine A, C und E zeichnen die Pflanze ebenso aus wie Carotinoide, Flavonoide und Schleimstoffe. Die Samenkörner enthalten mehrfach ungesättigte Fettsäuren sowie ebenfalls die o.g. Mineralstoffe und Spurenelemente. Medizinisch wird sie zur Blutreinigung, Entgiftung und Entwässerung eingesetzt. In käuflichen Brennnesseltees findet man i.d.R. die getrockneten Blätter, die man nicht selten teuer bezahlen muss. Frische Blätter oder selbst gesammelte und getrocknete Blätter entfalten dieselbe Wirkung und kosten nur ein wenig Mut. Welches mein Lieblingsgericht mit Brennnesseln ist, mag ich gar nicht entscheiden, aber eines geht immer: Brennnesseltempura. Dazu werden nur einige schöne Brennnesselblätter, ein Teig und Brat- oder Frittieröl benötigt. Hier kommt das Rezept:



Brennnesseltempura

30 – 40 mittelgroße bis große Brennnesselblätter, 4 geh. EL Mehl (Dinkel oder Weizen, Mahlgrad nach Belieben) 

1 geh. EL Kichererbsenmehl

5 Pr. Salz

½ TL Backpulver

Wasser

Die Brennnesselblätter waschen. Die Mehlsorten und für jeden Löffel Mehl eine gute Prise Salz mischen. Mit Wasser daraus einen dickflüssigen Teig rühren und diesen kurz ruhenlassen. In dieser Zeit das Fett (Pfanne, Topf oder Fritteuse) erhitzen. Wenn das Fett heiß ist, dem Teig noch das Backpulver hinzufügen und dieses gut einrühren. Die erste Portion Brennnesselblätter in den Teig tauchen, kurz abtropfen lassen und ausbacken. Auf einem Küchenkrepp das Fett abtropfen lassen. Auf diese Weise Portion für Portion ausbacken, bis alle Blätter fertig sind. Sie bleiben einige Stunden knackig, aber meistens werden sie keine Stunden alt. 

Der Leezdörp Blog bedankt sich für 

Text und Fotos bei Renate Erdt 


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