Freitag, 15. März 2024

Wilder Tipp (3)



Renate Erdt  aus Leezdorf ist zertifizierte Fachberaterin für Selbstversorgung mit essbaren Wildpflanzen und rät zu einem entspannten Umgang mit dem

Giersch

Wenn er im Frühjahr seine ersten hellgrün glänzenden, noch zusammengeklappten Blättchen  aus der Erde schiebt, lässt er manches Hobbygärtnerherz schneller schlagen: der Giersch. 

Viele Hobbygärtner und Hobbygärtnerinnen meinen, sie müssten den Kampf mit dem Giersch aufnehmen, mit dem Ziel, diesen zu vernichten. Da dies ohnehin nicht gelingt, empfehle ich die Devise  meiner Freundin Doris, Biologin und überaus versierte Schrebergärtnerin, die sagt: „Mit Giersch mach‘ ich mir keinen Stress, den ess‘ ich einfach auf!“ 

Das ist eine sehr gesunde Einstellung, im wahrsten Sinne des Wortes. Dort, wo der Giersch  sich wohl fühlt, in halbschattigen Lagen, gern an Gehölzrändern und unter Hecken, ist er  jeder Gärtnerhand überlegen. Selbst wenn man ihn oberirdisch zu besiegen scheint,  unterirdisch wächst er einfach weiter und zaubert dabei aus jedem beim Jäten übersehenen  Wurzelstückchen im Handumdrehen eine neue Ministaude.  

Dass das ein echter Glücksfall ist, erkennt man, wenn man einmal über seinen vom Vernichtungswillen geprägten Hobbygärtnerschatten springt und sich dem Giersch kulinarisch  nähert. Um seinen ureigenen Geschmack zu entdecken, sollte man eines oder mehrere der  kleinen, hellgrünen, glänzenden Klappblättchen pur zerkauen: Der Geschmack ist nussig würzig, leicht möhrenartig, ähnlich dem der Petersilie. Hier hat man auch schon die erste  kulinarische Einsatzmöglichkeit: fein gehackt, anstelle von Petersilie über Kartoffeln oder  Salate oder als Zugabe für Bratmassen aller Art.  

Was bietet der Giersch außer seinem appetitanregenden Geschmack? Neben den  Mineralstoffen Calcium, Kalium und Magnesium sowie den Spurenelementen Kupfer, Mangan  und Zink enthält der Giersch viel Vitamin A und Vitamin C, dazu Flavonoide und ätherische  Öle, die man an manchen warmen Tagen auch direkt leicht süßlich-würzig riechen kann. Der  Giersch bietet auch einen nennenswerten Proteingehalt, der ihn als Nahrungsmittel noch vollwertiger macht. 

Essbar sind nicht nur die Blätter des Giersch, sondern auch seine Doldenblüten und die daraus  reifenden Samen. Die Blüten zu essen ist jedoch fast zu schade. An ihrem natürlichen  Standort, dem Halbschatten, bieten die weißen Dolden des unverwechselbaren  Doldenblütlers echte Lichtblicke; wer die Blüten doch opfern mag, findet in ihnen eine  wunderbare Bereicherung von sommerlichen Rosensträußen. 




Vermutlich kennt ihn wirklich jeder und jede, eigentlich ist er unverwechselbar. Sicherheitshalber  hier aber doch noch einmal die typischen botanischen Merkmale: Am Giersch folgt fast alles  der Zahl drei; die Blattstiele sind dreieckig, die Blätter sind dreifach gefiedert. Im laufe des Wachstums teilen sich die Blätter weiter in mehrere Fiedern. Wieviele? Natürlich drei. Die  ausgereiften Blätter sind ganz leicht behaart, hellgrün, am Rand leicht gezahnt. Wer einen  Blattstiel tief am Boden, eigentlich schon in der Erde, von der Pflanze trennt, erkennt im  Stielansatz die typische Form des Geißfußes, die dem Giersch regional auch diesen Namen  eingebracht hat. Seine weißen, 12 – 18-strahligen Dolden stehen über dem Laub auf 60 - 80  cm hohen, aufrecht stehenden, etwas kantigen, unbehaarten Stängeln. Die Früchte der  ausgereiften Dolden sind etwa 3mm lang und erinnern an Kümmel. 

Essbar sind beim Giersch Blätter, Blüten und Früchte. Der Kreativität in der Küche sind dabei  kaum Grenzen gesetzt. Ob in der Suppe, auf der Quiche, als Gemüse, im Kräuterquark oder im Salat, der Giersch überzeugt überall. Am delikatesten sind die feinen, noch leicht  glänzenden, hellgrünen Klappblättchen. Wer aber eine ganze Quiche damit füllen möchte,  muss auch einmal zu den größeren Blättern greifen. Diese wollen dann gut gehackt oder geschnitten sein, damit der leckere Geschmack nicht durch ein unangenehmes, faseriges  Kaugefühl gestört wird. Wer die älteren Blätter nicht möchte, kann den Giersch gut mit seinen Kumpels aus dem wilden Trio kombinieren, der Brennnessel und dem Löwenzahn. Wer  ständig frische Gierschblättchen haben möchte, schneidet den Bestand stückweise kurz. Die  frischen Blättchen wachsen zügig nach.  

Der Giersch ist eine starke Persönlichkeit, und genauso stark macht er sich auch für unsere Gesundheit und Ernährung, wenn wir ihn lassen. 



Hier mein persönliches Lieblingsrezept für den Giersch: 

Giersch-Bratlinge 

200g rote Linsen 

400ml Wasser 

1 Zwiebel (je nach Geschmack auch 2) 

1 Esslöffel Tomatenmark 

1 Teelöffel Garam Masala 

½ Teelöffel Schwarzkümmel und/oder Kreuzkümmel und/oder Kümmel, je nach  Geschmack 

Zwiebel würfeln und in etwas Öl in einem Topf dünsten, bis die Würfel glasig, blond oder  brünett sind, je nach Geschmack. Tomatenmark und Gewürze zugeben und diese unter  Rühren 1-2 Minuten mit anrösten, bis es würzig duftet. Dann Linsen und Wasser hinzugeben  und die Linsenmasse etwa 10-12 Minuten köcheln lassen. Die Linsen haben dann  unterschiedliche Konsistenz: Einige sind schon breiartig zerfallen, andere haben noch  Form.  

In die gekochte Linsenmasse kommen nun die restlichen Zutaten. 

1 Teelöffel Senf, nach Geschmack auch mehr 

3-4 Esslöffel Kartoffelstärke (oder andere Stärke oder Paniermehl) 

2-3 Tassen frischer Giersch, grob gehackt, nach Geschmack auch mehr Salz nach Belieben 

Pfeffer nach Belieben 

Die Linsenmasse kurz abkühlen lassen, dann Senf unterrühren und schon etwas Pfeffer und  Salz. Die Stärke über die Masse sieben, dann in der Masse durch Rühren gut verteilen.  Schließlich den Giersch unterheben. Je nach Geschmack noch mit Pfeffer und Salz  nachwürzen. 

Mit zwei Löffeln Bratlinge formen und in wenig Öl von beiden Seiten braten, bis der  gewünschte Bräunungsgrad erreicht ist.  

Die Bratlinge lassen sich auch mit nassen Händen formen, dann sollte die Masse aber  erkaltet sein, damit die Stärke schon abbinden konnte. Bei Verwendung von zu viel Stärke  werden die Bratlinge nach Erkalten sehr fest. 

Erkaltet sind die Bratlinge auch eine gute Beilage in der Brotdose zur Arbeit oder, sofern  etwas dünner gebraten, auch als Brotbelag.

Und natürlich: sofern sie nicht vorher genascht sind.


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