Donnerstag, 13. Mai 2021

Was mich bewegt in dieser Woche...

Gestern im NDR Fernsehen: In Niedersachsen gibt es 1573 offene Stellen in der Pflege. Demgegenüber stehen nur etwa 500 Bewerber, die für diese Arbeit qualifiziert sind. Immer mehr Pflegekräfte schmeißen hin, fühlen sich dem Druck nicht mehr gewachsen.

Zwei Pflegekräfte offenbaren im NDR den Pflegenotstand. Sie fühlen sich am Limit. Corona hat ihnen den Rest gegeben. Kritisch war es aber schon in der Zeit davor. Patienten seien schlecht versorgt, weil Pflegekräfte andauernd überlastet sind. Einer der beiden, ein junger Mann, sieht seine künftige Chance im Vertrieb von Reinigungsmitteln, die junge Frau möchte Geisteswissenschaften studieren. Sie sei es leid, nach Doppelschichten und Überstunden in ihrer ohnehin kargen Freizeit auch noch angerufen zu werden, ob sie weitere Dienste übernehmen könne. Beide sehen die Politik in der Pflicht. Doch die kann oft nur noch an Stellschrauben bei den Rahmenbedingungen drehen. Wertschätzende Löhne per Gesetz wären hier ein Schritt. Die strukturellen Probleme entstehen vor allem durch Privatisierung, denn viele Städte und Kreise geben die Trägerschaften ihrer Kliniken und damit Teile ihrer Verantwortung aus der Hand. In Deutschland gehören etwa 50 Prozent der Kliniken rein betriebswirtschaftlichen, an Fallzahlen orientierten, privaten Medizin-Unternehmern. Die Belegschaften werden bei Übernahme an Personalträger weitergereicht, zu schlechten Konditionen und zu Lasten der Pflegenden. Es geht schließlich ums Geld, das Wohl der Investoren zählt, weniger zählt das Wohl der Patienten und schon gar nicht das der Pflegenden. Kliniken, ebenso wie der soziale Wohnungsbau, gehören in Pflicht und Verantwortung der Kommunen, und zwar ohne vordergründige  Gewinnorientierung!

Genauso verhält es sich mit dem sozialen Wohnungsangebot im Brookmerland.

Bei uns in der Samtgemeinde muss Platz sein für Menschen, die sich keine teuren Mieten leisten können. Die Wohnanlage am Hingstlandsweg in Marienhafe, einst von der damals in Schieflage geratenen AWO übernommen, und über deren Wohl und Wehe nun das Damoklesschwert namens „privater Investor“ schwebt, ist so ein Ort. Was von einer kleinen Rente nach Abzug der Miete in einem der 24 Wohneinheiten übrig bleibt, reicht gerade so zum Leben. Ob das so bleibt, weiß man nicht und darf zumindest stark bezweifelt werden. Der Grund ist ein möglicher Verkauf, den die so genannte neue Mehrheit im Rat der Samtgemeinde nun vorantreiben will. Dem Samtgemeinderat  liegen Angebote von mehreren Investoren in siebenstelliger Höhe vor. Endgültig legitimiert für einen Verkauf sehen sich die Politiker durch das Ergebnis des Bürgerentscheids vom letzten Sonntag, auch wenn diese Legitimation moralisch zweifelhaft ist. Juristisch ist sie jedenfalls unstrittig. Bei dieser Abstimmung votierten 1961 Wähler (76,64 %) für den Verbleib in Trägerschaft der Samtgemeinde, 597 Wähler (23,36 %) für einen Verkauf. Zwar ist der Wählerwille mehr als deutlich, dennoch ging die Wahl aus Sicht der Befürworter des Verbleibs formaljuristisch verloren. Der Grund findet sich im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz. Dort heißt es, dass 20 Prozent aller Wahlberechtigten bei der letzten Kommunalwahl für den Verbleib hätten stimmen müssen, um die Anzahl der Stimmen für die Gültigkeit der Wahl zu erreichen. An diesem sogenannten Quorum, sprich 2205 Stimmen, fehlen nun also 244 Stimmen. Die Initiatoren, und ebenso eine beachtliche Anzahl von Bürgern, die in sozialen Netzwerken oder in persönlichen Gesprächen ihr Bedauern über den Ausgang des Entscheids zum Ausdruck gebracht haben, sehen sich dennoch nicht als Verlierer, sondern als „Gewinner der Herzen“. Unter anderem sie bitten die neue Mehrheit nun, den Verkauf noch einmal zu überdenken. Ich bin optimistisch, dass da noch was geht. Immerhin hat ja der Antragsteller aus der BWG stellvertretend für seine Ratskollegen im Kurier erklärt, dass man auch ein anderes Ergebnis akzeptiert hätte. Das lässt hoffen, dass die neue Mehrheit sich nun einen Ruck gibt und über den formaljuristischen Schatten springt. Das sollte sie auch tun, denn über den Köpfen der Ratsmitglieder in der CDU, BWG/SEB und der BfB/Grüne schwebt bereits ebenfalls ein Damoklesschwert. Dieses trägt den bedrohlichen Namen „Wahlergebnisse am 12. September“.

Apropos Wahl: Könnte ich die Wahl zum Unwort des Jahres 2021 persönlich beeinflussen, hätte ich gleich zwei parat, sie lauten Privatisierung und Investor.

Gisela Riesebeck

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